Wahlversprechen alleine reichen nicht

Wahlversprechen alleine reichen nicht

Das Klimaschutzgesetz muss rasch zeigen, dass den Worten Taten folgen! Fridays for Future und #PlatzFürWien warnen vor Verzögerungen.

Das finale Regierungsprogramm von SPÖ und NEOS ist voller Klimaschutz-Versprechen, doch die Maßnahmen reichen trotzdem nicht aus, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens zu erfüllen. Die Klimabewegung fordert effektive Umsetzungen in der kommenden Legislaturperiode. SPÖ und Neos müssen bedenken, dass Klimaschutz – im Gegensatz zu anderen Themen – nicht verhandelbar ist. Mit der Physik kann man keine Kompromisse schließen. Die nächsten fünf Jahre sind entscheidend: Nur mit schnellen und effektiven Maßnahmen kann Wien es schaffen, seine Emissionen in der notwendigen Geschwindigkeit auf null zu reduzieren.

Auch die Initiative #PlatzFürWien begrüßt die Koalitionsversprechen der neuen Stadtregierung unter der Voraussetzung, dass sie zielgerichtet umgesetzt werden. Mit ihren 57.600 Unterschriften hatte die Initiative im Wahlkampf eine Unterstützer*innenzahl erreicht, die für ein Wiener Volksbegehren ausreicht. Zahlreiche Wiener*innen haben also klare Forderungen an die zukünftige Stadtregierung gerichtet und damit wirksame klimagerechte Verkehrspolitik verlangt. “Sollte dieser Auftrag von Verkehrstadträtin Ulli Sima, Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky und Bürgermeister Michael Ludwig in den kommenden fünf Jahren nicht nach bestem Gewissen erfüllt werden, sind sie ihrer Verantwortung für das Wohl dieser Stadt nicht nachgekommen”, verdeutlichen die SprecherInnen von #PlatzFürWien, Barbara Laa und Ulrich Leth. 

 

“Klimamusterstadt” nur ansatzweise absehbar

Die neue Stadtregierung will Wien bis 2040 klimaneutral machen. Andere Städte wie Oslo, Zürich oder Kopenhagen sind Wien hier weit voraus und möchten bis 2025 oder 2030 klimaneutral sein. Die Wiener “Fortschrittskoalition” ist mit ihren Plänen weit im Verzug und lenkt mit irreführenden Begriffen wie „Klimamusterstadt“ von Versäumnissen bei der Klimapolitik in der Vergangenheit ab.

Das geplante Wiener Klimaschutzgesetz und die Verankerung eines Klimabudgets wird von Fridays For Future und #PlatzFürWien begrüßt. Das Festlegen jährlicher Emissions-Obergrenzen für Treibhausgase schafft Verbindlichkeit und macht überprüfbar, ob die Maßnahmen für den Rückgang der Emissionen ausreichen. Offen bleibt jedoch, ob und welche Sanktionsmechanismen bei Überschreitung der sektorspezifischen Budgets zur Anwendung kommen. Das festzulegende Klimabudget, also die Gesamtmenge an Treibhausgasen, die noch produziert werden dürfen, muss außerdem mit dem 1,5 Grad-Ziel übereinstimmen. Dies ist nicht der Fall, da Wien im Sinne der Klimagerechtigkeit weit vor 2040 klimaneutral sein müsste.

Die angekündigten Ziele müssen außerdem bald mit konkreten Plänen und ambitionierten Maßnahmen untermauert werden, damit sie tatsächlich erreicht werden können. Das Wiener Klimaschutzgesetz muss den Verkehrssektor als größten Emittenten von Treibhausgasen abdecken und kann so im Sinne des von #PlatzFürWien geforderten Mobilitätsgesetzes endlich eine Verbindlichkeit der Ziele auf Stadtebene herstellen.

  

Mobilitätswende und Flächengerechtigkeit oder doch Autostadt?

Die im Regierungprogramm angekündigten "Super-Grätzel" zielen auf die KFZ-Verkehrsberuhigung, Entsiegelung und Begrünung vor allem rund um Schulen ab. Hiermit verbindet die Stadtregierung gleich zwei Forderungen der Initiative #PlatzFürWien und schafft zusätzliche Sicherheit für Kinder am Weg zur Schule.

Weiters sollen mehr Sitzgelegenheiten im öffentlichen Raum geschaffen werden. Straßen verkehrsberuhigt und dauerhafte Begegnungszonen sollen ausgebaut werden. Zur Steigerung der Aufenthaltsqualität und Abkühlung werden außerdem 25.000 neue Bäume im Straßenraum versprochen. Die vor allem aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Lärmschutzes notwendige Temporeduktion auf flächendeckende 30 km/h findet sich im Koalitionsprogramm jedoch leider nicht.

„Wir reduzieren, wo es für den Fußverkehr notwendig ist, die PKW-Infrastruktur (z.B. Weglassen von Parkspuren für breitere Gehsteige)“ steht im Koalitionsübereinkommen. Die Parteien halten fest, dass der öffentliche Raum derzeit zu oft für PKWs geplant und gedacht wird. Die Planung soll sich in Zukunft an den schwächeren Verkehrsteilnehmer*innen orientieren und nicht an angenommenen Spitzenbelastungen für PKW. Insgesamt reichen die Maßnahmen zur Schaffung von Flächengerechtigkeit und der Reduktion von PKWs zwar bei weitem nicht aus, jedoch finden sich zumindest in puncto Parkraum eindeutige Pläne für die Innere Stadt wieder: „Mit Einführung von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen sollen umgehend Kfz-Stellplätze reduziert und in Flächen für den Fuß- und Radverkehr sowie Grünflächen umgewandelt werden“. Was auf dem Papier gut klingt, wird aber leider durch gegenteilige Aussagen des Bürgermeisters konterkariert. Im Ö1-Morgenjournal vom 18.11. spricht sich Ludwig zwar für Verkehrsberuhigung im ersten Bezirk und anderen Teilen der Stadt aus, ergänzt aber: „es geht mir darum, dass wir vor allem auf der Oberfläche sicherstellen, dass Anrainerinnen und Anrainer parken können“ (https://wien.orf.at/stories/3076453/).

 

Fehlende Schritte zur Reduktion der Verkehrs-Emissionen

Die Vervierfachung des Budgets für Radwege ist zu begrüßen. Wichtige Lückenschlüsse scheitern aber oft nicht nur am Budget, sondern auch am politischen Willen in manchen Bezirken, Parkplätze umzunutzen. Hier wird einiges an Durchsetzungskraft von Verkehrsstadträtin Ulli Sima notwendig sein. Des Weiteren finden sich kaum konkrete Schritte für die Reduktion des innerstädtischen Autoverkehrs. 

Fünf konkrete Maßnahmen von #PlatzFürWien für die Förderung des Radverkehrs, welche die SPÖ eins zu eins in ihr Wahlprogramm übernommen hatten und von NEOS unterstützt wurden, finden sich im Regierungsübereinkommen nicht explizit wieder. Das nun festgelegte Ziel, 10% der Verkehrsflächen zu Radwegen zu machen, kann nur durch konkrete Umsetzungen wie die geforderten 300 km Radwege an Hauptstraßen erreicht werden.

Bei der Mobilitätswende fällt die Stadt Wien hinter Metropolen wie Paris, Amsterdam oder Oslo immer weiter zurück. “Während die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo in Rekordgeschwindigkeit aus Parkplätzen Grünflächen und aus Autospuren Rad-Schnellrouten macht, setzt Bgm. Ludwig noch immer auf den Bau neuer Autostraßen und verschärft so die Klimakrise und ihre schlimmen humanitären Folgen”, fasst Klimaaktivistin Mira Dolleschka zusammen.

Die Halbierung von Verkehrsemissionen und Autofahrten wird ohne gravierende Maßnahmen nicht gelingen. Auch die Bezirksvorsteher*innen sind in die Pflicht genommen, in ihren Zuständigkeitsbereichen gerechte Flächenverteilung und Verkehrssicherheit nicht nur zuzulassen, sondern aktiv herbeizuführen. Denn nur gemeinsame Anstrengungen in der kommenden Legislaturperiode können echten #PlatzFürWien schaffen!

Maßnahmen im Gebäudesektor lassen auf sich warten

Ein weiterer wichtige Hebel für die Senkung der Treibhausgasemissionen in Wien liegt im Gebäudesektor. Für die Ausarbeitung eines Klimaschutzkonzepts und konkreter Maßnahmen in diesem Bereich will sich die Koalition laut Regierungsabkommen aber noch zwei Jahre Zeit lassen. Das ist viel zu lang und setzt die Zukunft aller aufs Spiel. Technische Lösungen für den Ausstieg aus Gas sind bereits vorhanden und müssten ab sofort in die Praxis umgesetzt werden - hier müssen die Parteien noch viel mutigere Entscheidungen treffen und schneller handeln. Ein sofortiges, flächendeckendes Verbot von Gasheizungen fehlt zum Beispiel komplett, obwohl es eine einfach umzusetzende Maßnahme darstellt.

Vermeintliche Klimakoalition muss sich erst beweisen

“Um glaubhafte Sozialpolitik zu machen, muss die SPÖ Klimaschutz ganz oben auf die politische Agenda setzen. Die humanitären Folgen der Erderhitzung könnten schon bald alles andere in den Schatten stellen, wenn die Politik der Klimakrise nicht ihrer Dringlichkeit entsprechend gegensteuert. Wir brauchen endlich eine mit dem 1,5-Grad-Ziel kompatible Klimapolitik!”, warnt Aktivistin Veronika Winter. Ob Bürgermeister Ludwig und Vizebürgermeister Wiederkehr den Ernst der Lage verstanden haben, wird sich erst zeigen. Die Klimabewegung wird Wiens Verantwortung umso vehementer auf der Straße einfordern, wenn notwendige Taten ausbleiben. Die Klimakrise wartet nicht.

Die nächste Wiener Stadtregierung ist die letzte, die das Pariser Klimaabkommen einhalten kann. Klimaschutz ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit (SPÖ) und auch für die Wirtschaft langfristig unumgänglich (Neos). Eine “Fortschrittskoalition” gegen die Klimakrise sieht jedoch anders aus! Die Arbeit während der Amtsperiode wird kritisch beobachtet und erst an den tatsächlich umgesetzten Maßnahmen gemessen werden.

Rot-Pink muss sich als echte, fortschrittliche und mutige Klimakoalition erst beweisen.

Kontakt

Fridays for Future Wien

Mira Dolleschka

Michael Spiekermann