Klimarettung ohne Antirassismus? Geht nicht!

von Anna-Sofie Wedl und Valerie Peer

Klimaschutz kann nicht von Antirassismus getrennt werden

Killer fürs Klima, Kurbel für den Kolonialismus

Plakativ für die Klimakrise sind oft brennende oder abgeholzte Wälder. Inzwischen kennen wir auch alle die Bilder von mit Altkleidung zugemüllten Stränden oder sogar Wüsten, wie der Atacama-Wüste in Chile. Die großen Fragen lauten aber: Wer bezahlt den Preis für unsere Kleidung? Und für ihre Entsorgung? Wer bekommt das Holz der Regenwaldrodungen? Und wer nutzt die frei gewordenen Flächen schlussendlich? 

Regenwälder werden oft abgeholzt, um Platz für Tierfutter zu machen

Die Antworten auf diese Fragen sind vielschichtig, versuchen wir es also zunächst mit Beispielen aus dem alltäglichen Leben, die viele von uns kennen:

Ein neues Shirt um 4,99 Euro? - Eigentlich zu billig, um fair produziert worden zu sein. Schon poppen Erinnerungen an Dokumentarfilme über Frauen auf, die für die Fast-Fashion-Industrie in menschenunwürdigen Bedingungen Kleidung nähen. Die Versuchung zuzuschlagen, ist trotzdem groß. 

Selbige Versuchung finden wir auf Grillpartys. Der gedeckte Tisch ist einer dieser trendigen aus Teakholz. Teakholz, das aus jahrhundertealten Monsunwäldern in Südostasien stammt. Der Grill wird angeworfen – mit Holzkohle, die oft von Bäumen aus tropischen Wäldern stammt. Kurze Zeit später glüht die Kohle und die Zeit ist reif für Steaks!

Ein Blick auf das Etikett verrät, dass das Rindfleisch aus Südamerika stammt. Damit die Rinder dort richtig viel Fleisch anlegen konnten, mussten sie auch richtig viel fressen. Richtig viel Fraß braucht auch richtig viel Anbaufläche für Soja als Tierfutter. Richtig viel Anbaufläche erhält man durch die Rodung von Regenwäldern.

Natürlich sind die Beispiele etwas überspitzt, sie veranschaulichen aber, dass unsere Wirtschaftsweise Teil des Problems ist. Konsumgüter wie zum Beispiel aus der Fast-Fashion- oder Fleischindustrie landen zum größten Teil im reichen Norden, werden jedoch im globalen Süden produziert. Dass Prozesse wie die massenhafte Rodung CO2-speichernder Bäume oder lange Transportwege sehr klimaschädlich sind, leuchtet schnell ein. Doch was hat das nun mit Rassismus zu tun?

Ausbeutung des globalen Südens und fehlende Repräsentation

Diese Art des Wirtschaftens ist mit rassistischen Motiven behaftet und ausbeuterisch gegenüber den Menschen, deren Lebensgrundlagen im globalen Süden zerstört werden. Mit jedem Teakholztisch, mit jedem Steak, mit jedem Fast-Fashion-Shirt geht einher, dass Menschen anderswo unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten müssen. Bedingungen, die Europäer*innen niemals zugemutet werden würden. Oida!?

Unsere “imperiale Lebensweise”, die den meisten Konsument*innen hier im globalen Norden gar nicht bewusst ist, basiert auf der systematischen Ausbeutung von Natur und Menschen, deren Leben scheinbar als minderwertig eingestuft werden. Das kann man durchaus als modernen Kolonialismus betiteln. Es ist unfair, rassistisch und klimaschädlich!

Ganze Ernten sind nutzlos aufgrund der Dürre

Dürrekatastrophen

Vielleicht hast du mitbekommen, dass es diesen März kaum geregnet hat. Der März 2022 war der trockenste März seit Beginn der Aufzeichnungen 1946. Wie haben wir das hier bemerkt? Der Rasen war trocken, Regenbögen gab’s keine.

Aber lass uns ein bisschen in den Süden reisen, nach Kenia oder Äthiopien. Dort hat es seit Dezember nicht geregnet. Stell dir vor – seit freaking vier Monaten kein Tropfen Wasser vom Himmel! Es ist so trocken und heiß, dass Wasser(!) für die meisten Menschen unleistbar geworden ist. Weder der Anbau von Pflanzen, noch Viehwirtschaft ist möglich. 

Menschen sterben an Hunger, an Durst, an Hitze. Uns muss bewusst sein: Wenn wir, die Industrienationen des globalen Nordens, nicht jetzt den Kurs der Klimagerechtigkeit einschlagen, ist auf lange Sicht ein Leben in den verdorrten Gebieten des Horns von Afrika kaum mehr möglich.

Klimaflucht ist keine Wahl

Was ist für die besonders hart von der Klimakrise betroffenen Menschen also die Alternative? Flucht Richtung Norden. Also dorthin, wo trotz der Folgen der Klimakrise zumindest noch halbwegs ein gutes Leben möglich ist. Dorthin, wo die Hauptverursachenden der Klimakrise zu Hause sind. 

Die Flüchtlingspolitik des globalen Nordens, wie die der EU, ist allerdings nicht bekannt dafür, Menschen willkommen zu heißen. Die Zweifel, dass die EU Menschen aufnimmt, die aufgrund der Klimakrise fliehen müssen, sind berechtigterweise groß. 

Für Menschen, die aufgrund von Flutkatastrophen in Deutschland untergebracht werden mussten, wurde sofort jede Form der Hilfe geleistet. Das ist auch gut und richtig so. Doch Menschen, die wegen Dürren in Ostafrika fliehen, werden immer noch systematisch abgelehnt, an der Flucht gehindert oder im Mittelmeer dem Tod überlassen. Das ist nicht gut so und definitiv falsch. Die EU-Grenzpolitik ist rassistisch und darf so nicht weitergehen!

Besonders Länder im globalen Süden sind von der Klimakrise betroffen

Fridays – not just for Future, but also for NOW!

Ein letzter wichtiger Punkt, der den Umgang mit der Klimakrise rassistisch macht, ist jener: Der derzeitige Diskurs beschreibt die Klimakrise oft als ein abstraktes Geschehen irgendwann in der Zukunft. Als etwas, das uns irgendwann einmal (vielleicht) betreffen wird.

Entscheidungstragende in der Politik scheren sich vor allem darum, wie sie ihr eigenes Land durch die Klimakrise bringen. Mit leeren Händen gehen allerdings jene aus, die am meisten von der Klimakrise betroffen sind. Die Staaten im globalen Süden, die nicht gehört werden. Staaten wie Mosambik, wo Wasser und Nahrung aufgrund von Dürren unleistbar werden. Haiti, wo Häuserbauen durch Sturmkatastrophen eine regelrechte Sisyphusarbeit geworden ist. Oder die Philippinen, wo der steigende Meeresspiegel die Bewohner*innen zur Flucht zwingt, weil ihr Zuhause wortwörtlich untergeht. 

In diesen Staaten sind finanzielle Ressourcen jetzt notwendig, um JETZT und in Zukunft Leben zu retten. Stattdessen bleiben Gelder aber bei den Ländern im globalen Norden und werden dort in Technologien investiert, die vielleicht irgendwann und mit viel Glück einen Bruchteil der CO2-Emissionen aus der Atmosphäre ziehen können. Die Bedürfnisse der sogenannten MAPA (= Most Affected People And Areas) der Klimakrise werden wie Chipskrümel unter den Tisch gekehrt, als ob sie den globalen Norden nichts angehen würden.

Ohne die Ausbeutung von BIPOCs (Black, Indigenous and People of Colour) hätte die Klimakrise nie so verheerend eskalieren können. Die Klimakrise beruht auf der rassistisch geprägten, strukturellen Unterdrückung von Menschen, einerseits im globalen Süden, andererseits direkt hier bei uns in Österreich, wenn BIPOCs von politischer Mitbestimmung ausgeschlossen werden. Das ist ungerecht auf vielen Ebenen! 

Klimagerechtigkeit heißt also nicht nur, jetzt sofort zu handeln, sondern auch, Grenzen zu öffnen und die Verantwortung für die Entstehung der Klimakrise zu übernehmen. Die Klimakrise ist rassistisch! Und für Klimagerechtigkeit zu kämpfen heißt somit, auch für Antirassismus einzustehen.

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